Gesetzliche Regelungen auf EU- und nationaler Ebene zum Thema Lebensmittelhygiene

EU-Ebene („Hygienepaket“) (inkl. späteren Änderungen und Ergänzungen)
Die hier erlassenen Verordnungen sind (im Gegensatz zu Richtlinien, die in nationales Recht überführt werden müssen) in den Mitgliedsstaaten unmittelbar gültig und werden durch nationale Regelungen nur insoweit ergänzt, als das EU-Recht hierfür Raum lässt oder Ermächtigungen vorsieht.
- Verordnung (EG) Nr. 178/2002 vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit.
In dieser „Basisverordnung“ finden sich eine Reihe wichtiger Zielsetzungen und Definitionen, die die bisher und zukünftig geltenden nationalen Regelungen vervollständigen und sich aus den EU-Konzepten zur Lebensmittelsicherheit ergeben (Risikoanalyse (Art. 6), Vorsorgeprinzip (Art. 7), Berücksichtigung internationaler Normen (Art. 13), Anforderungen an die Lebensmittelsicherheit (Art. 14), Anforderungen an die Futtermittelsicherheit (Art. 15), Rückverfolgbarkeit (Art. 18), Verantwortung für Lebensmittel:
Lebensmittelunternehmen (Art. 19) etc.). Die Verordnung umfasst die gesamte Wertschöpfungskette von der Erzeugung eines Lebensmittels bis zu dessen Verzehr. Darüber hinaus werden die Aufgaben der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit
(EFSA) festgelegt (Kapitel III) und das Schnellwarnsystem für Futter- und Lebensmittel (RASFF) eingeführt.
- Verordnung (EG) Nr. 852/2004 vom 29. April 2004 über Lebensmittelhygiene Diese Verordnung schreibt allgemeingültige Lebensmittelhygienemaßnahmen und -grundsätze vor, insbesondere
– die Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit durch den Lebensmittelunternehmer
auf allen Stufen der Lebensmittelkette einschließlich der Primärproduktion,
– die Anwendung der HACCP-Grundsätze in Verbindung mit einer guten Hygienepraxis sowie
– mikrobiologische Kriterien und Temperaturkontrollerfordernisse.
Detaillierte Hygienevorschriften für die Primärproduktion sowie für Betriebsstätten, Räume, Ausrüstungen, Personen und Schulung des Personals sind den Anhängen zu entnehmen.
- Verordnung (EG) Nr. 853/2004 vom 29. April 2004 mit spezifischen Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprung
Durch diese Verordnung werden die allgemeingültigen Hygieneanforderungen um spezifische Anforderungen für alle vom Tier stammenden Lebensmittel ergänzt. Durch die Verordnung werden die bisher gültigen produktbezogenen EU-Richtlinien zusammengeführt.
- Verordnung (EG) Nr. 854/2004 vom 29. April 2004 mit besonderen Verfahrensvorschriften für die amtliche Überwachung von zum menschlichen Verzehr bestimmten Erzeugnissen tierischen Ursprung
Hier werden die allgemeinen Grundsätze der amtlichen Überwachung beschrieben. Art und Umfang der Kontrollen werden von den Ergebnissen der Risikobewertung und auch dem bisherigen „Verhalten“ des Lebensmittelunternehmers hinsichtlich der Einhaltung des Lebensmittelrechts bestimmt. In Anhängen finden sich detaillierte Aussagen zur Überwachung aller von Tieren stammenden Lebensmittel, zu denen Hygieneanforderungen in der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 vorgegeben sind.
- Verordnung (EG) Nr. 882/2004 vom 29. April 2004 über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz
In dieser Verordnung werden Anforderungen an die für die Überwachung zuständigen Behörden formuliert. Die Kontrollen müssen nicht nur wirksam und angemessen sein, sondern es muss auch eine ausreichende Laborkapazität und das erforderliche qualifizierte Personal vorhanden sein. Für das Personal wird eine regelmäßige Weiterbildung gefordert. Die amtlichen Labors müssen akkreditiert sein, d. h., die entsprechende Kompetenz zur Durchführung der erforderlichen Untersuchungen haben. Die Ergebnisse der Überwachungsmaßnahmen sind objektiv zu kommunizieren. Die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems soll die Wirksamkeit der amtlichen Überwachungstätigkeit sichern.
Diese „Kontrollverordnung“ wird derzeit (2015) überarbeitet und in weiten Teilen neu gefasst. Dabei steht die Frage der Erhebung von Gebühren für nicht anlassbezogene Kontrollen im Mittelpunkt zum Teil recht kontroverser Diskussionen zwischen der Lebensmittelüberwachung und der Lebensmittelwirtschaft.
Gleiches gilt für den Erlass sogenannter Delegierter Rechtsakte durch die Kommission, bei denen der Einfluss der Mitgliedstaaten stark eingeschränkt wäre. Durch die Wahl des Europäischen Parlaments im Mai 2014 hat sich der zeitliche Verlauf bei der weiteren Behandlung dieses Verordnungsentwurfs verzögert.
Anfang Dezember 2014 hat die italienische Ratspräsidentschaft einen „Fortschrittsbericht“ vorgelegt. So wird zu den Vorschlägen über die Finanzierung amtlicher Kontrollen und anderer amtlicher Aktivitäten (Art. 76 bis 84 des Verordnungsvorschlags) festgestellt, dass weder über das Ausmaß und die Wege der Finanzierung sowie die einzubeziehenden Sektoren und Aktivitäten Einigkeit zwischen den Mitgliedsländern erzielt werden konnte. Auch eine volle „Subsidiarität“, d. h., die Verlagerung der Maßnahmen und Verantwortung in die Mitgliedstaaten bzw. die zuständigen Behörden, ist offensichtlich keine mehrheitsfähige Option.
Über die Rolle bzw. den Status des amtlichen Tierarztes bei der Durchführung amtlicher Kontrollen bei lebenden Tieren und Produkten tierischer Herkunft (Art. 15, 47 und 53 des Verordnungsvorschlags) bestehen nach wie vor unterschiedliche Auffassungen. Nach Auffassung der Kommission sollen amtliche Kontrollen vom amtlichen Tierarzt, unter seiner Aufsicht oder unter seiner Verantwortung oder auch durch andere qualifizierte und trainierte Personen durchgeführt werden.
Im Vorschlag der Kommission sollten spezifische Sektoren durch „Delegierte Rechtsakte“ der Kommission abgedeckt werden. Nach Auffassung der Mitgliedstaaten soll die Zahl der Ermächtigungen deutlich begrenzt werden (Art. 15, 16, 17, 18 und 23).
Vor diesem Hintergrund ist mit weiterem Beratungsbedarf über mindestens zwei bis drei Jahre zu rechnen (Inkrafttreten der neuen Verordnung frühestens 2017/2018).
- Verordnungen (EG) Nr. 2073/2005 und 1441/2007 über Mikrobiologische Kriterien für Lebensmittel
Diese Verordnungen enthalten mikrobiologische Kriterien, die von den Lebensmittelunternehmen einzuhalten sind. Die Mikroorganismen bzw. die Kriterien werden in „Lebensmittelsicherheitskriterien“ (pathogene Keime) und „Prozesshygienekriterien“ (insbesondere mesophile aerobe Keimzahl (Koloniezahl) und Indikatorkeime) unterteilt.
Für die mikrobiologischen Kriterien werden Probenahmepläne, Grenzwerte und Nachweismethoden sowie die Stufe in der Lebensmittelkette, auf der das Kriterium anzuwenden ist, angegeben. Ein „Leitliniendokument“ soll die Anwendung dieser Verordnung erleichtern.
Nationale Ebene
- Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch – LFGB) vom 01. September 2005 in der der jeweils aktuellen Fassung
Zweck dieses Gesetzes ist es, bei Lebensmitteln, Futtermitteln, kosmetischen Mitteln und Bedarfsgegenständen den Verbraucherschutz durch Vorbeugung gegen eine oder Abwehr einer Gefahr für die menschliche Gesundheit sicherzustellen, vor Täuschung beim Verkehr mit Lebensmitteln, Futtermitteln, kosmetischen Mitteln und Bedarfsgegenständen zu schützen und die Unterrichtung der Wirtschaftsbeteiligten sicherzustellen.
- Verordnung über die Anforderungen beim Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen von Lebensmitteln (Lebensmittelhygiene-Verordnung – LMHV)
Diese Verordnung dient der Regelung spezifischer lebensmittelhygienischer Fragen sowie der Umsetzung und Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet des Lebensmittelhygienerechts.
Für viele Lebensmittelunternehmer sind Regelungen über allgemeine Hygieneanforderungen, Schulung von Personen, Anforderungen an die Abgabe kleiner Mengen bestimmter Primärerzeugnisse sowie Fragen zur Herstellung bestimmter traditioneller Lebensmittel von Bedeutung.
- Verordnung über Anforderungen an die Hygiene beim Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen von bestimmten Lebensmitteln tierischen Ursprungs (Tierische Lebensmittel-Hygieneverordnung – Tier-LMHV)
Diese Verordnung dient der Regelung von Fragen des Herstellens, Behandelns und Inverkehrbringens bestimmter Lebensmittel tierischen Ursprungs sowie der Umsetzung und Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet der Lebensmittelhygiene bei Lebensmitteln tierischen Ursprungs. Für die meisten Anwender sind folgende Regelungen wichtig:
– Amtliche Untersuchungen bei der Gewinnung von Fleisch für den eigenen häuslichen Verbrauch (Abschnitt 1a)
– Abgabe kleiner Mengen von Primärerzeugnissen und anderen Lebensmitteln tierischen Ursprungs (Abschnitt 2)
– Anforderungen an den Einzelhandel (Abschnitt 3)
– Anforderungen an die Abgabe kleiner Mengen von Lebensmitteln, den Einzelhandel und das Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen von Lebensmitteln im Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 (Abschnitt 5).
- Verordnung zur Regelung bestimmter Fragen der amtlichen Überwachung des Herstellens, Behandelns und Inverkehrbringens von Lebensmitteln tierischen Ursprungs (Tierische Lebensmittel-Überwachungsverordnung – Tier- LMÜV)
Diese Verordnung wendet sich in erster Linie an die Überwachungsbehörden und enthält unter anderem Regelungen zur amtlichen Schlachttier- und Fleischuntersuchung. Für den Lebensmittelunternehmer sind vor allem die in der Anlage 1 aufgeführten Stempel zur Kennzeichnung der Genusstauglichkeit von Bedeutung.
- Verordnung mit lebensmittelrechtlichen Vorschriften zur Überwachung von Zoonosen und Zoonoseerregern
Diese Verordnung regelt die vom Lebensmittelunternehmer zu ergreifenden lebensmittelrechtlichen Maßnahmen zur frühzeitigen Erkennung von Zoonosen und Zoonoseerregern als Grundlage für die Bewertung ihrer Herkunft und der Entwicklungstendenzen ihres Vorkommens. Sie ergänzt auf nationaler Ebene die Regelungen der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 über Mikrobiologische Kriterien und beschreibt die erforderlichen Maßnahmen beim Nachweis von Zoonoseerregern im Rahmen der Eigenkontrollen (Mitteilungspflicht an die Behörden bei positiven Nachweisen!).
- Allgemeine Verwaltungsvorschrift (AVV) zur Durchführung der amtlichen Lebensmittel-überwachung („AVV Rüb“)
Diese Allgemeine Verwaltungsvorschrift soll zu einer einheitlichen Durchführung der lebensmittelrechtlichen, weinrechtlichen und futtermittelrechtlichen Vorschriften für die amtliche Kontrolle, insbesondere der Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit
und Tierschutz beitragen.
- Allgemeine Verwaltungsvorschrift über die Durchführung der amtlichen Überwachung der Einhaltung der Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs (AVV Lebensmittelhygiene)
Diese allgemeine Verwaltungsvorschrift richtet sich an die für die amtliche Überwachung des Verkehrs mit Lebensmitteln nach § 38 Absatz 1 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches zuständigen Behörden und die in diesem Rahmen mit der Durchführung von Untersuchungen beauftragten Laboratorien.
- Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG)
Zweck des Gesetzes ist es, übertragbaren Krankheiten beim Menschen vorzubeugen, Infektionen frühzeitig zu erkennen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern. Die hierfür notwendige Mitwirkung und Zusammenarbeit von Behörden des Bundes, der Länder und der Kommunen, Ärzten, Tierärzten, Krankenhäusern, wissenschaftlichen Einrichtungen sowie sonstigen Beteiligten soll entsprechend dem jeweiligen Stand der medizinischen und epidemiologischen Wissenschaft und Technik gestaltet und unterstützt werden.
Die Eigenverantwortung der Träger und Leiter von Gemeinschaftseinrichtungen, Lebensmittelbetrieben, Gesundheitseinrichtungen sowie des Einzelnen bei der Prävention übertragbarer Krankheiten soll verdeutlicht und gefördert werden.
- Die Trinkwasserverordnung (TrinkwVO 2001) soll die menschliche Gesundheit vor den nachteiligen Einflüssen, die sich aus der Verunreinigung von Wasser ergeben, das für den menschlichen Gebrauch bestimmt ist, durch Gewährleistung seiner Genusstauglichkeit und Reinheit schützen.
- Normen und Leitlinien: Hierbei handelt es sich nicht um Rechtsquellen. Sie sollen jedoch bei der Interpretation der im Lebensmittelhygienerecht häufig vorkommenden unbestimmten Rechtsbegriffe helfen. Es gibt Leitfäden der EU und solche der Mitgliedstaaten. Die EU ermöglicht die Herausgabe von Leitlinien in den einzelnen Mitgliedstaaten (Art. 8 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004).
Normen des Deutschen Instituts für Normen (DIN). Beispiele zur Lebensmittelhygiene:
– DIN 10503 Begriffe
– DIN 10506 Gemeinschaftsverpflegung
– DIN 10508 Temperaturen für Lebensmittel
– DIN 10514 Hygieneschulung
– DIN 10516 Reinigung und Desinfektion
– DIN 10523 Schädlingsbekämpfung im Lebensmittelbereich
– DIN 10524 Arbeitskleidung in Lebensmittelbetrieben.
Praxisleitfäden (Beispiele):
– Leitlinie „Bäckerhandwerk“
– Leitlinie „Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung“ (BGL)
– Leitlinie „Bundesverband Fisch“
– Leitlinie „Hauptverband des Deutschen Einzelhandels“ (HDE)
– Leitlinie „Gastronomie“ (DEHOGA)
– Leitlinie für „Handwerkliche Fleischereien“ (DFV)
– Leitlinie „Temperaturanforderungen für Lebensmittel tierischen
Ursprungs“
– Leitlinie „Gute Hygienepraxis in sozialen Einrichtungen“
– Leitlinie „Produktsicherheit im Backbetrieb“.
Sonstiges
Die Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM) hat für einzelne Lebensmittelgruppen „Mikrobiologische Richt- und Warnwerte zur Beurteilung von Lebensmitteln“ veröffentlicht (DGHM-Kriterien). Sie werden gegebenenfalls im Rahmen der Untersuchung und Beurteilung von Lebensmitteln ergänzend zu den Regelungen der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 herangezogen.
► aus Fragen & Antworten Prozesshygiene B. Behr‘s Verlag
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