Schimmel und Co. – ohne Chance!

Krankheitserreger können sowohl in tierischen als auch in pflanzlichen Lebensmitteln vorkommen. Verbraucher dürfen zu Recht erwarten, dass Lebensmittel weder verdorben in den Handel gelangen, noch mit krankheitserregenden Bakterien oder Viren belastet sind. Um dies zu gewährleisten sind regelmäßige Eigenkontrollen unerlässlich. Im Codex Alimentarius sind von der FAO (Food an Agriculture Organization of the United Nations) und der WHO (World Health Organisation) Standards zur Lebensmittelsicherheit und Lebensmittelproduktqualität aufgeführt, die sich in den spezifischen betrieblichen HACCP-Konzepten widerspiegeln.
Weitverbreitet: Mikroorganismen
Während der gesamten Lebensmittelkette sind Hygieneprinzipien einzuhalten. Denn für eine Vielzahl von Mikroorganismen wie Bakterien und Schimmelpilzen bieten viele Lebensmittel ideale Bedingungen zur Vermehrung. Mikroorganismen können während der Verarbeitung, auf unterschiedlichsten Herstellungs- und Verarbeitungsstufen, auf oder in Lebensmittel gelangen. Eine wichtige Aufgabe der Qualitätsverantwortlichen in der Lebensmittelindustrie ist die Beurteilung von Risiken. Denn schließlich liegt die Verantwortung zur Einhaltung des hygienischen Arbeitens bei der Herstellung von Lebensmitteln beim Unternehmer. Personalhygiene, saubere Arbeitsoberflächen und Werkzeuge, sowie die Auswahl einwandfreier Rohmaterialien für die Herstellung der verschiedenen Produkte müssen kontrolliert werden.
Der Inhalt des Hygienepakets
EU-weit sind die Hygieneregelungen durch das so genannte Hygienepaket definiert. Gesetzgeberisches Fundament des EU-Lebensmittelrechts ist die Verordnung (EG) Nr. 178/2002. Das Hygienepaket umfasst die Verordnung (EG) Nr. 852/2004 über Lebensmittelhygiene, die Verordnung (EG) Nr. 853/2004 mit spezifischen Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs, die Verordnung (EG) Nr. 854/2004 mit besonderen Verfahrensvorschriften für die amtliche Überwachung von zum menschlichen Verzehr bestimmten Erzeugnissen tierischen Ursprungs.
Betriebsspezifisch werden entsprechende Reinigungs- und Desinfektionsverfahren durchgeführt, die im HACCP-Konzept und im Hygieneplan festgelegt sind. Hier sind die entsprechenden Anwendungskonzentrationen und Einwirkzeiten aufgeführt und einzuhalten. Kontaminationsmöglichkeiten durch Mikroorganismen sollen dadurch minimiert bzw. ausgeschlossen werden. Die angewandten Verfahren werden im Allgemeinen auf ihre Wirksamkeit überprüft. Die Überwachung der durchgeführten Reinigung sollte dokumentiert werden. Sie kann visuell erfolgen, mittels Protein- oder ATP-Nachweis. Abklatsch- und Abstrichverfahren nach DIN werden zudem zur Prüfung der Desinfektionswirkung eingesetzt.
Abklatschverfahren
Beim Abdruck- oder Abklatschverfahren können sogenannte RODAC-Platten (Replicate Organism Detection and Counting) oder Dip-Slides mit festem Nährboden direkt auf die zu beprobende Oberfläche gedrückt werden. Mikroorganismen, die sich auf der Oberfläche befinden, bleiben dabei auf dem Nährboden haften. Zur Inaktivierung von eventuell vorhandenen Desinfektionsmittelrückständen sollten die einzusetzenden Nährböden sogenannte Enthemmersubstanzen enthalten, damit nicht falsch negative Ergebnisse zustande kommen. Die verwendeten Nährmedien können nach ausreichend langer Bebrütung (in der Regel drei Tage) ausgezählt werden. Abdruck- und Abklatschverfahren sind sehr gut geeignet für glatte, ebene Oberflächen, schwieriger ist die Probenahme bei Fugen, Rissen und gewölbten oder rauen Oberflächen. Die Auswertung zur Bestimmung des Oberflächenkeimgehaltes auf Einrichtungs- und Bedarfsgegenständen im Lebensmittelbereich erfolgt nach § 64 LFGB, B 80.00-3.
Tupferproben
Nicht ebene Oberflächen, wie Ventile, Auslaufstutzen oder ähnliche können mittels Tupfern abgestrichen werden. Als Tupfermaterial wird Baumwollwatte oder Alginatwolle eingesetzt, auch bestimmte Schwämme sind insbesondere für die Suche nach pathogenen Bakterien geeignet. Ein Zählergebnis aus Tupferproben ist jedoch nicht immer möglich. Eine Semiquantifizierung der Mikroorganismen in Bezug auf die abgestrichene Fläche ist aber mit Ausschüttelungen des Tupfers in steriler Verdünnungslösung möglich.
Durchführung und Auswertung zur Bestimmung des Oberflächenkeimgehaltes auf Einrichtungs- und Bedarfsgegenständen im Lebensmittelbereich erfolgt nach § 64 LFGB, B 80.00-1, Quantitatives Tupferverfahren oder § 64 LFGB, B 80.00-2, semiquantitatives Tupferverfahren.
Trockene Tupfer sollten nicht eingesetzt werden. Als Befeuchtungsmedium sollte eine entsprechende Enthemmerlösung verwendet werden. Diese dient der Neutralisierung von Reinigungs- und Desinfektionsmitteln wie beim Abklatschverfahren bereits erläutert.
Luftkeimuntersuchungen
Die Anzahl von Keimen in der Luft kann mittels Sedimentations- oder Impaktionsverfahren ermittelt werden. Beim Sedimentationsverfahren werden Platten mit festem Nährmedium in der Produktionsstätte für einen bestimmten Zeitraum offen hingestellt und anschließend zwei bis drei Tage bebrütet. Aus der Anzahl an Kolonien lässt sich eine qualitative Aussage über die Keimbelastung bestimmter Standorte und Tageszeiten treffen. Eine quantitative Aussage über die Keimzahl pro Luftmenge ist hiermit jedoch nicht möglich. Diese Methode gilt als veraltet und die Ergebnisse haben keine bedeutsame Aussagekraft.
Luftkeimsammelgeräte von verschieden Herstellern sind für die Bestimmung von quantitativen Luftkeimzahlen (Anzahl von Keimen pro m³) geeignet. Mittels dieser Geräte ist es möglich, eine definierte Menge Luft, beispielsweise 100 Liter über Agarplatten mit festem Nährmedium zu leiten. Die Agarplatten werden anschließend bebrütet und ausgewertet. Bei der Suche nach der Ursache von möglichen Kontaminationen durch Bakterien oder Schimmelpilze von Lebensmitteln können entsprechende selektive Nährmedien eingesetzt werden.
Die mikrobiologische Untersuchung der Luft ist aus Sicht vieler QM-Verantwortlicher einmal jährlich empfehlenswert. Viele Unternehmen lassen die Luftkeimmessung vor und während der Produktion durchführen, um die Belastung für Produkte und Mitarbeiter abschätzen zu können. Die Vergleichsmessung der Außenluft muss immer erfolgen. Nur so können Auffälligkeiten der beprobten Räume im Verhältnis zur Außenluft beurteilt werden.
Luftkeime im Fokus der Betriebshygiene
Die Luft von Wohnräumen wird aufgrund von Mieterbeschwerden oder bei Bauschäden am häufigsten untersucht. Eine gesundheitliche Gefährdung durch Mikroorganismen des Raumnutzers soll anhand der Ergebnisse abgeschätzt werden. Versteckter mikrobieller Befall kann gegebenenfalls aufgespürt werden.
Im Lebensmittel produzierenden Betrieb werden für gewöhnlich Raumluftmessungen erst dann durchgeführt, wenn Schimmelbefall oder erhöhte Konzentrationen an Hefepilzen oder anderen Mikroorganismen bei den hergestellten Produkten vor Ablauf des MHD festgestellt wurden.
Bakterien werden selten über die Luft verteilt. Eine hohe Belastung mit Sporenbildnern oder gefriergetrockneten Starterkulturen samt Staubentwicklung kann jedoch durch Verschleppungen über die Raumluft in Betrieben zu Problemen führen. Häufig sind es jedoch Hefen und vor allem Schimmelpilzsporen aus der Luft, die auf Lebensmittel gelangen und so zu vorzeitigem Verderb führen können.
Schimmelpilze können mit Ihren massenhaft gebildeten Sporen mühelos Zeit und Raum überwinden bis ihre Sporen auf geeignete Oberfläche von unterschiedlichsten Lebensmitteln bzw. in die entsprechenden Ausgangsstoffe gelangen. Schimmelpilze sind echte Spezialisten.
Fast alle Lebensmittel können befallen werden
Im Prinzip können fast alle Lebensmittel durch Schimmelpilze befallen werden. Trockene wie feuchte, Käse und Milchprodukte, Wurstwaren, Früchte, aber auch Brot und andere Getreideerzeugnisse können sichtbaren Schimmelpilzbewuchs zeigen. Getrocknete Lebensmittel können Schimmelwachstum aufweisen, weil sie während des Wachstumsprozesses oder beim Lagern und Transport Feuchtigkeit ausgesetzt waren. Bei Unterschreiten eines gewissen Feuchtegehaltes im Substrat stellen Schimmelpilze zwar das Wachstum ein, die gebildete Biomasse verbleibt aber hauptsächlich in Form von Sporen und ein getrocknetem Myzel auf den Erzeugnissen (Nüsse, Gewürze, getrocknetes Obst und Gemüse) zurück.
Die Sporen können unter geeigneten Bedingungen auskeimen. Der Befall von Lebensmitteln durch Schimmelpilze ist grundsätzlich ein ernstzunehmendes Problem, weil die Gefahr einer Mykotoxin-Belastung besteht. Mykotoxine werden allerdings nicht von allen Schimmelpilzen gebildet und wenn nur unter geeigneten Bedingungen. Enthalten Lebensmittel Mykotoxine und werden verzehrt, sind unter Umständen teilweise kanzerogene, zumindest aber toxische Wirkungen nicht auszuschließen. Der Verzehr von solchen Lebensmitteln erfolgt in der Regel vereinzelt und nicht regelmäßig. Täglich wiederkehrend über Monate, Jahre oder Jahrzehnte eingeatmete Schimmelsporen in Räumen können gesundheitliche Probleme verursachen. Auch aus diesem Blickwinkel heraus ist die Schimmelsporenbelastung der Raumluft bedeutsam für die Betriebshygiene.
Schimmelpilze als Störer
Schimmelpilzsporen belasten als Bestandteil des Feinstaubes die Atemluft und können bei den Mitarbeitern eines Betriebes entsprechende Beschwerden auslösen. Die Empfindlichkeit gegenüber Schimmelpilzsporen ist sehr individuell, sodass im normalen Produktionsbetrieb keine arbeitsschutzrechtlichen Werte für Schimmelsporenkonzentrationen in der Raumluft vorgeschrieben sind. Die Sporen sind als normaler Bestandteil der Außenluft nicht generell gesundheitsschädlich, können aber bei Vorhandensein einer Quelle, die zu einer insgesamt erhöhten Sporenkonzentration oder auch nur zur Erhöhung der Sporenzahl einer Schimmelpilzart führt, gesundheitliche Beschwerden auslösen. Häufig sind diese Schimmelpilzquellen in Gebäuden zu finden. Hier können sich die Sporen bei Vorhandensein einer Quelle auch sehr stark in der Luft „anreichern“, was zu auffallend hohen spezifischen Sporenkonzentrationen führen kann. In Produktionsräumen kann erhöht anfallende Feuchte durch Produktions- oder Reinigungsprozesse Schimmelpilzwachstum und die Kontamination mit Hefepilzen fördern. Genauso können durch Anliefern von belasteter Rohware erhöhte Keimkonzentrationen (z.B. in der Raumluft des Lagers) auftreten.
In den Büroräumen können bauphysikalische Mängel Schimmelwachstum an den Außenwänden oder versteckt im Decken- oder Fußbodenbereich begünstigen. Als eine Schimmelwachstum fördernde Feuchtigkeitsursache gelten nicht zuletzt alle Formen von Leckagen an wasserführenden Leitungen oder Undichtigkeiten von Dach bzw. Fassade eines Gebäudes. Sehr hohe Feuchtigkeit im Gebäude kann neben Schimmelbefall auch zu Wachstum von Hefepilzen und Bakterien (z. B. Aktinomyceten) führen. Hierdurch entstehen die nicht seltenen auftretenden unangenehmen Gerüche.
Was Mikroben mit Menschen machen
Eine langandauernde bzw. immer wiederkehrende Exposition gegenüber Schimmelpilzen (Sporen, Myzel, Stoffwechselprodukte und Mykotoxine) kann auf verschiedene Weise die Gesundheit der exponierten Personen schädigen:
- Sensibilisierung von Personen, die bisher noch nicht auf die Sporen reagiert haben
- Allergische Reaktionen von sensibilisierten Personen (heuschnupfenartige Symptome bis hin zu asthmatischen Anfällen)
- Erhöhte Infektanfälligkeit der oberen Atemwege
- Gereizte Schleimhäute (insbesondere der Augen)
- Hautirritationen bis hin zu Neurodermitis
- Kopf- und Gelenkschmerzen
In Bezug auf Schimmelpilze in Innenräumen geben das Umweltbundesamt (UBA) und die kooperierenden Institutionen die offizielle Sichtweise wieder: „Schimmelpilzsanierungs- Leitfaden“ des Umweltbundesamtes, 2005 in Bezug auf vorangegangene Leitfäden des UBA und des LGA Baden-Württemberg.
„Zusammenfassend wir in den o. g. Leitfäden ausgeführt, dass Schimmelpilzwachstum im Innenraum ein hygienisches Problem darstellt, welches nicht toleriert werden sollte, da Schimmelpilze gesundheitliche Beschwerden auslösen können. Schimmelpilzwachstum im Innenraum sollte daher aus Vorsorgegründen immer entfernt werden.“ Robert Koch-Institut (Mitteilung der Kommission „Methoden und Qualitätssicherung in der Umweltmedizin“, 2007): Unabhängig von den Bewertungsproblemen ist Schimmelpilzwachstum im Innenraum grundsätzlich ein hygienisches Problem, das nicht hingenommen werden sollte. Vielmehr sollte hier nach dem Vorsorgeprinzip die Belastung minimiert oder wenn möglich beendet werden.
Zu den schimmeltypischen gesundheitlichen Auswirkungen kommt bei vielen in Innenräumen vertretenen Schimmelpilzgattungen das allgemeine Problem der Feinstaubproblematik dazu. Neben Tonerstäuben und Zigarettenrauch sind Schimmelpilze die herausragenden Feinstaubquellen im Innenraum. Deshalb sind die meisten Büros mittlerweile rauchfrei und zunehmend werden auch die Laserdrucker ausgelagert. Als Feinstaubfraktion sind die kleineren Schimmelsporen alveolengängig, d.h., sie werden vom Körper nicht schon in den oberen Atemwegen herausgefiltert, sondern müssen in den kleinsten Lungenbläschen durch die Immunabwehr unschädlich gemacht werden.
Offizielle Statements zum Feinstaub kommen ebenfalls vom Umweltbundesamt (UBA) und von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sowie von der Innenraumlufthygiene- Kommission des UBA:
- Einatmen von Feinstaub wirkt sich allgemein negativ auf den Gesundheitszustand des Menschen aus
- Nicht nur kurzzeitig erhöhte Konzentrationen, sondern gerade längerfristig vorliegende, geringere Konzentrationen wirken gesundheitsschädigend
- Die Zusammensetzung des Feinstaubes im Innenraum stark unterschiedlich bezüglich Partikelgröße/Partikeloberfläche und chemischer/ biologischer Zusammensetzung
- Erhöhte Feinstaubkonzentrationen in Innenräumen sind hygienisch unerwünscht, ohne dass damit bereits eine konkrete Aussage zum Gesundheitsrisiko verbunden ist.
- Die Weltgesundheitsorganisation (WHO): Bei Feinstaub gibt es keine Konzentrationsschwelle, unterhalb derer keine schädigende Wirkung zu erwarten ist.
QUELLE:
► QM!, Behr's Verlag, Ausgabe 3|2015, S. 11ff, Dr. Burkhard Schütze und Tim Stoffregen