Krankheitsausbrüchen auf der Spur
Sherlock Holmes am Kühlregal

Dr. Petra Luber vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit stellt eine Analysenmethode vor, die helfen kann, im Krisenfall gerüstet zu sein und adäquat reagieren zu können.
Noroviren in Himbeeren oder Listerien im Betrieb – manchmal werden Krankheitsausbrüche durch rasch verderbliche Lebensmittel verursacht oder durch Erreger, die nur schwer oder gar nicht im Labor nachweisbar sind. In diesen Fällen setzen behördliche Krisenmanager dann auf die Warenstrom-Analyse – mit Erfolg. Sie als Qualitätamanager profitieren von den Ergebnissen – und Sie können die neue Methode auch eigenständig in Ihrem Betrieb nutzen.
Jeder Krisenmanager wünscht sich im Fall eines lebensmittelbedingten Krankheitsausbruchs möglichst schnell das ursächliche Lebensmittel und die Quelle der Kontamination zu identifizieren. Der Ausbruch soll gestoppt werden und man möchte Maßnahmen ergreifen, welche die Ursachen des Problems abstellen. Die klassischen Methoden der amtlichen Überwachung zum Aufspüren des Lebensmittels sind Probenahme und Untersuchung. Doch wenn ein Lebensmittel mit kurzer Haltbarkeit einen Ausbruch verursacht, oder die Nachweismethoden im Labor versagen, kommt man so nicht weiter. Für den betrieblichen Qualitätsmanager sind im Fall der Fälle schnelle und wirtschaftliche Methoden gefragt um eine Kontaminationsquelle im Lebensmittelbetrieb zu finden.
Informationen bereit stellen
Bei komplizierten Krankheitsausbrüchen setzen behördliche Krisenmanager seit fünf Jahren erfolgreich Warenstrom-Analysen ein, um Ausbruchsquellen zu identifizieren. Hierfür werden gezielt Rückverfolgungsinformationen von verdächtigen Lebensmitteln gesammelt und analysiert. Sie als Qualitätsmanagement-Beauftragte Ihres Unternehmens werden in Zukunft vielleicht auch einmal bei einer Ermittlung mitwirken und durch die rasche Bereitstellung von Rückverfolgungsinformationen für die Behörden dazu beitragen, ein Krankheitsgeschehen einzudämmen. Helfen kann Ihnen eine Warenstrom-Analyse auch wenn Sie eine bakterielle Kontaminationsquelle in Ihrem Betrieb suchen. Sie könnten Hinweise aus einer vergleichenden Analyse von Produktflüssen in verschiedenen Linien oder eine Trendanalyse der Befunde von Oberflächenproben dazu nutzen, den Aufenthaltsort von Listerien im Betrieb einzugrenzen. Basierend auf einer derartigen Analyse könnten aufwendige Probenahmen und teure Laboranalysen dann zielgerichtet eingesetzt werden.
Erstmals erfolgreich eingesetzt wurde die Warenstrom-Analyse bei der Aufklärung des EHEC-Krankheitsausbruchs vor fünf Jahren. Dieser war besonders schwierig aufzuklären, weil er von einem Lebensmittel mit kurzer Haltbarkeit verursacht wurde. Zwischen dem Verzehr von Salat und dem Einsetzen der EHEC-Erkrankung vergingen im Mittel neun Tage. Das hatte zur Folge, dass zum Zeitpunkt der Entdeckung des Ausbruchs keine Reste oder Rückstellproben mehr vorhanden waren, um den kontaminierten Salatbestandteil (die Sprossen!) zu identifizieren. Tausende von Probenahmen und Laboruntersuchungen wurden durchgeführt, aber alle verliefen negativ. Die Quelle des schweren Krankheitsausbruchs musste jedoch identifiziert werden. Die Angst der Verbraucher vor EHEC im Salat führte zu gewaltigen Umsatzeinbußen im Obstund Gemüsesektor.
Eine Warenstrom-Analyse mit dem Vergleich von Lieferlisten und Lieferketten zu den Ausbruchsorten ergab schließlich den entscheidenden Hinweis auf einen Sprossenhersteller. Es zeigte sich, dass dieser Hersteller seine Sprossen an alle bekannten Ausbruchsorte und Restaurants geliefert hatte, in welchen sich mehrere Erkrankte infiziert hatten. Da die vermutlich mit dem EHEC-Erreger kontaminierten Sprossen zum Zeitpunkt der Entdeckung des Krankheitsausbruchs schon lange gegessen waren, konnte der EHEC-Erreger nie in den Sprossen nachgewiesen werden. Die Warenstrom-Analyse konnte jedoch eine starke Indizienkette für die Sprossen als Ausbruchsursache aufbauen.
Ein probates Mittel
Nach diesem ersten Einsatz wurde die Methode der Warenstrom-Analyse weiterentwickelt und mehrfach genutzt. Dabei zeigte sich, dass das gezielte Auswerten und Analysieren von Rückverfolgungsinformationen ein sehr schnelles und probates Mittel ist, um kontaminierte Lebensmittel zu identifizieren, eine Kontaminationsquelle zu finden, oder das Ausmaß eines Geschehens abzuschätzen. Ein großer Krankheitsausbruch in mehreren Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung, die von demselben Cateringunternehmen beliefert wurden, konnte ebenfalls zügig durch eine Warenstrom- Analyse aufgeklärt werden (Abb. 1). Zunächst war bei diesem Ausbruch völlig unklar, woran Kinder und Jugendliche nach dem Essen in der Gemeinschaftsverpflegung erkrankt waren. Um die Nadel im Heuhaufen aufzuspüren, wurden im ersten Schritt Menüpläne verglichen. Dadurch konnte die Liste der infrage kommenden Lebensmittel eingegrenzt werden. Für alle verdächtigen Lebensmittel wurden an verschiedenen Standorten die Chargennummern erhoben und eine Rückverfolgung zu den Herstellern durchgeführt. Anlassbezogene Betriebskontrollen bei den verschiedenen Herstellern führten zu Entwarnungen für einige der verdächtigen Lebensmittel. Nach dem Ausschlussprinzip blieb schließlich als Ursache nur eine Charge von tiefgefrorenen Erdbeeren übrig. Basierend auf den Erkenntnissen der Warenstrom-Analyse erfolgte ein Rückruf der Erdbeeren. Der Ausbruch wurde dadurch frühzeitig gestoppt. Drei Tage später wurde der auf Indizien beruhende Verdacht durch den Labornachweis von Noroviren in der Erdbeercharge bestätigt: die Erdbeeren waren mit einer großen Menge von Noroviren kontaminiert.
Oft gelingt es aber nicht, virale Krankheitserreger wie Noroviren oder Hepatitis-AViren in Lebensmitteln mit einem Labortest nachzuweisen. Ursache hierfür sind beispielsweise Hemmstoffe in Beerenfrüchten, welche die Labormethoden stören. Weiterhin können geringe Mengen von Viren technisch nicht nachgewiesen werden; sehr wohl können aber schon einige wenige Viren eine Erkrankung auslösen. Für gering kontaminierte Lebensmittel kommt es bei Laboruntersuchungen zu falsch-negativen Befunden. Dies war in der jüngeren Vergangenheit häufiger der Fall bei Krankheitsausbrüchen durch Hepatitis-A-Viren oder mit Noroviren kontaminierten Früchten wie Himbeeren, Johannisbeeren, oder Brombeeren.
Fazit
Mit einer Analyse von Chargennummern und Lieferketten haben es behördliche Krisenmanager und Qualitätsmanager in Lebensmittelbetrieben in einigen Fällen aber trotzdem geschafft, den gefährlichen Früchtchen auf die Spur zu kommen. Wie würde es Sherlock Holmes sagen? „Dr. Watson, analysieren Sie die Warenströme!“
QUELLE:
► QM! Der Qualitäts-Manager in der Lebensmittel-Branche, Behr's Verlag, Ausgabe 03|2016. S. 22 f., Dr. Petra Luber