Dem Betrug auf der Spur
Lebensmittelvergehen aus analytischer Sicht

Welchen Beitrag die aktuelle Lebensmittelchemie leisten kann, um Betrügern auf die Schliche zu kommen, klärt der Beitrag von Ulrich Busch vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) in Oberschleißheim
Eine der zentralen Aufgaben der amtlichen Lebensmittelüberwachung ist der Nachweis der Identität von tierischen und pflanzlichen Produkten. Lebensmittelskandale wie der Pferdefleischskandal zeigen deutlich, wie notwendig amtliche Kontrollen der Zusammensetzung und Deklaration von Lebensmitteln sind. Neben gesundheitlich relevanten Fragestellungen stellt vor allem die Verarbeitung nicht erlaubter und/ oder deklarierter Tierarten eine Herausforderung für die Lebensmittelkontrolle dar. Neben der finanziellen Täuschung von Verbrauchern (Austausch von teuren Zutaten gegen billigere), können Verfälschungen auch eine große Bedeutung für Verbraucher haben, die aus medizinischen oder ethischen Gründen auf bestimmte Fleischarten verzichten wollen/müssen. Olivenöl, Fisch, Bio-Lebensmittel, Milch, Getreide, Honig und Ahornsirup, Kaffee und Tee, Gewürze (z. B. Safran), Wein und bestimmte Obstsäfte sind nach einem Bericht des Europäischen Parlaments über die Nahrungsmittelkrise und den Betrug in der Nahrungskette, Produkte, bei denen das Risiko eines Lebensmittelbetrugs am höchsten ist. Neben der Lebensmittelsicherheit hat der Lebensmittelbetrug in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen und hat sich bereits deutlich auf das Verbrauchervertrauen ausgewirkt.
Nicht alles wird aufgedeckt
Trotz erheblicher Fortschritte im analytischen Bereich, bleiben wichtige Herausforderungen und Grenzen bestehen. Grundsätzlich gilt hier, je früher in der Lebensmittelkette auf Verfälschungen untersucht wird, um so einfacher und aussagekräftiger ist die Beweisführung und je ungezielter vorgeschaltete Screening-Verfahren und die Vernetzung der europäischen Überwachungsbehörden sind, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Lebensmittelbetrug aufgedeckt wird.
Verschiedene Fälle von Täuschung bei Lebensmitteln schlugen in den letzten Monaten hohe Wellen. Dazu gehört neben dem EU-weiten Pferdefleisch-Skandal von 2013, gepanschtes Olivenöl, die Verwendung von Melamin zur Erhöhung des Eiweißgehaltes in Milchprodukten oder Methanol in Spirituosen.
Diese Vorfälle lassen Fragen hinsichtlich der allgemeinen Lebensmittelsicherheit und des Schutzes des Verbrauchers vor Täuschung aufkommen. Eine zentrale Rolle kommt hierbei den amtlichen Überwachungsbehörden zu und der Frage, wie diese sicherstellen, dass die Lebensmittel der Kennzeichnung entsprechen. Eine falsche Deklaration von Lebensmitteln hat häufig ökonomische Ursachen, aber nicht nur ökonomische Folgen. Der Verbraucher muss nicht nur vor zu hohen Kosten für vermeintlich hochwertige Lebensmittel geschützt werden. Lebensmittelbetrug kann auch gesundheitliche Auswirkungen haben oder gegen ethische Vorgaben verstoßen. Zunächst sollte feststehen, auf welche Art von Lebensmittelbetrug getestet werden soll – dieser muss also quasi vorausgesehen werden. Geht es um die geografische Herkunft des Lebensmittels, die Art der Züchtung, den Verarbeitungsprozess oder das Alter des Produktes? Handelt es sich um ein konventionelles oder biologisches Produktionssystem? Wurde das Fleisch mit Wasser gestreckt? Soll auf den Austausch hochwertiger Tierarten durch günstigere getestet werden? Wenn ja, handelt es sich um einen kompletten Austausch der einen gegen die andere Tierart oder um eine partielle Substitution? Ist klar, mit Fleisch welcher nicht deklarierten Tierart verfälscht wurde und ist es wirklich ein absichtlicher Austausch oder vielmehr eine technologisch bedingte Substitution? Ist ein qualitatives oder ein quantitatives Analysenergebnis notwendig? Nicht jeder qualitative positive Nachweis kann einen Lebensmittelbetrug belegen, es muss immer zwischen einer möglichen Kontamination und einem Betrug differenziert werden.
Neue Herausforderungen
Ein weiteres Kriterium für die Wahl der Analysemethode ist der Punkt, wo in der Lebensmittelkette getestet wird. Im Schlachthaus selbst sind Tierarten-reine, unverarbeitete, nicht zerkleinerte Fleischproben verfügbar. Das Endprodukt hingegen wurde gegebenenfalls quer durch Europa transportiert, enthält Fleisch mehrerer Einzeltiere und wurde technologischen Verfahren (Hitze, Säure, hohen Drücken) ausgesetzt, die bestimmte Methoden nur noch eingeschränkt zulassen oder zu matrixabhängigen Effekten führen.
Die Internationalisierung des Handels mit tierischen Rohstoffen, neue gesetzliche Vorgaben, Verbrauchernachfragen nach exotischeren Tierarten und technologische Verarbeitungsverfahren stellen laufend neue Herausforderungen an die Überwachungslabore, um dem Betrug mit Lebensmitteln auf die Spur zu kommen.
Aber die Entwicklung innovativer Methoden bietet auch neue Chancen. Zu nennen sind zum Beispiel die nicht zielgerichteten metabolischen Verfahren, die eine Vielzahl von Metaboliten in einer Probe gleichzeitig erfassen. Dazu gehören massenspektrometrische Verfahren oder auch spektroskopische Methoden, wie die Kernspinresonanzspektroskopie (NMR), mit der zum Beispiel die geografische Herkunft von Rind nachgewiesen werden konnte oder mit der die Unterscheidung von Biotomaten von konventionellen Tomaten möglich ist. Zwei der wichtigsten molekularen Methoden, die in den letzten Jahren aufgekommen sind, sind das Next Generation Sequencing (NGS) und die digitale PCR. In der digitalen PCR werden die Reaktionsvolumina soweit minimiert, dass sich kein oder nur ein DNA-Amplikon in einem Reaktionsansatz befindet. Über das Auszählen der positiven und negativen Reaktionseinheiten ist eine absolute Quantifizierung von Tierartenanteilen ohne Referenzgen oder Standardreihen möglich. NGS ermöglicht hingegen die Erfassung aller in einem Lebensmittel vorkommenden Organismen über deren DNA.
Rückverfolgung sichern
Die Sicherstellung der Rückverfolgbarkeit von Lebens- und Futtermitteln auf allen Vermarktungsstufen ist für den Gesetzgeber daher ein wichtiges Instrument zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher. Verfahren zur Rückverfolgbarkeit basieren in der Regel auf Dokumentationssystemen der Unternehmen, die die Identifizierung von Chargen erlauben. In der Lebensmittelkontrolle sind allerdings auch Verfahren erforderlich, die eine Verifizierung von Deklarationen und Angaben – eine Authentizitätsprüfung – anhand der chemischen Analyse des Lebensmittels ermöglichen. Zur Kontrolle der Einhaltung geltender gesetzlicher Regelungen werden Routineverfahren wie die Stabilisotopenanalyse eingesetzt sowie neue innovative Analysestrategien entwickelt.
QUELLE:
► QM!, Behr's Verlag, Ausgabe 4|2015, S. 14ff, Dr. Ulrich Busch