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Montag, 26 Oktober 2015

Gentechnisch veränderte Lebensmittel

QM & QS | Recht & Normen | Gesundheit

Gentechnisch veränderte Lebensmittel
© Rainer Sturm / pixelio.de

Begriff und Perspektive

Begriffsbestimmungen und gesetzliche Regelungen in EU und Deutschland
Ein grundsätzliches Problem in allen Fragen der Gesetzgebung zu Gentechnik im Lebensmittelbereich liegt in einer unklaren Begriffsbestimmung. So spricht die VO (EG) Nr. 1829/2003 von „genetisch veränderten Lebens- und Futtermitteln“, obwohl genetische Veränderungen von Lebens- und Futtermitteln, die mit Hilfe chemischer Mutagenese erzielt wurden, nicht von der Verordnung erfasst werden. Gleiches trifft für die Definition von GVO als „genetisch veränderte Organismen“ in der RL 2001/18/EG zu, deren Definitionen Grundlage der VO (EG) Nr. 1829/2003 sind. In beiden Fällen wäre der Begriff „gentechnisch verändert“ zu bevorzugen gewesen, da er wissenschaftlich eindeutig ist.

Der Begriff „genetisch veränderte Lebensmitteln“ ist darüber hinaus auch noch unklar, da er vortäuscht, dass solche Lebensmittel betroffen sind, die in der Tat nachweisbare Veränderungen erfahren haben. Dieses ist mitnichten der Fall, da auch solche Lebensmittel erfasst werden, die z. B. aus GVO hergestellt wurden oder Zutaten aus GVO enthalten und bei denen es sich um nachweislich naturidentische Produkte handelt. In solchen Fällen wäre der Begriff „mit Hilfe der Gentechnik hergestellte Lebensmittel oder Lebensmittelzutaten“ deutlich zutreffender. Als letztes Beispiel sei auf die in der RL 2001/18/EG genannte Definition von GVO hingewiesen, die wie folgt lautet: „ein Organismus mit Ausnahme des Menschen, dessen genetisches Material so verändert worden ist, wie es auf natürliche Weise durch Kreuzen und/oder natürliche Rekombination nicht möglich ist“. Hier sind zwei Interpretationen möglich: entweder ist die zur Veränderung angewandte Methode maßgeblich oder das Ergebnis der Veränderung. Nach den im Anhang Ia der RL 2001/18/EG aufgeführten Erläuterungen, ist die angewandte Methode maßgeblich. Es bleibt bei den Erläuterungen der Methoden, die zu einem GVO fuhren, und insbesondere bei der nachfolgend genannten („DNS-Rekombinationstechniken, bei denen durch die Insertion von Nukleinsäuremolekülen, die auf unterschiedliche Weise außerhalb eines Organismus erzeugt wurden, in Viren, bakterielle Plasmide oder andere Vektorsysteme neue Kombinationen von genetischem Material gebildet werden und diese in einen Wirtsorganismus eingebracht wurden, in dem sie unter natürlichen Bedingungen nicht vorkommen, aber vermehrungsfähig sind“) unklar, ob Verfahren der Selbstklonierung, (wie sie im Gentechnikgesetz genannt sind und bei denen keine heterologe DNA (desoxyribonucleic acid) in einen Zielorganismus eingeführt wird) im Sinne der RL 2001/18/EG zu einem GVO fuhren oder nicht.

Perspektiven für gentechnische Veränderungen bei Tieren, Pflanzen und Mikroorganismen
Gentechnische Veränderungen bei Tieren, Pflanzen und Mikroorganismen werden aus unterschiedlichen Motiven heraus durchgeführt. Zum einen stehen Erleichterungen/Optimierungen oder Kosteneinsparungen bei Zucht, Anbau, Produktion oder Verarbeitung im Vordergrund, zum anderen die ernährungsphysiologische Optimierung des letztendlich herzustellenden Lebensmittels. Bisher gibt es weltweit keine für den menschlichen Verzehr zugelassenen gentechnisch veränderten Tiere. Zugelassene Anwendungen der Gentechnik bei Tieren beschränken sich zurzeit im Wesentlichen auf die Produktion pharmazeutisch und medizinisch interessanter Stoffe in milchgebenden Tieren, wie z. B. die Produktion humanen Antithrombins in transgenen Ziegen (das entsprechende Produkt ist seit 2008 in der EU zugelassen). Diese Situation kann sich möglicherweise bald ändern: Die Food and Drug Administration (FDA) in den USA erwägt die Zulassung eines transgenen Lachses (Markenname: AquAdvantage), da die mehr als 10 Jahre dauernde Sicherheitsüberprüfung keinen Hinweis auf eine Gefährdung der Gesundheit bei Verzehr des Fisches hat erbringen können. Die Lachse wachsen durch Einbringen zweier Gene (ein Gen für ein Wachstumshormon einer anderen Lachsart und ein Regulatorgen eines an kalte Meeresregionen angepassten Fisches) wesentlich schneller als normale Lachse: Der Lachs erreicht sein Schlachtgewicht bereits nach etwa 18 anstatt nach 36 Monaten.
Forschung zur Erzeugung transgener Tiere zielt vor allem auf eine Erhöhung der Produktivität (wie das soeben genannte Beispiel zeigt), sei es für Fleisch, Milch oder Wolle. Dabei wird einerseits an eine Manipulation der Wachstumsgeschwindigkeit gedacht und andererseits an eine Verbesserung der Futterverwertung. Darüber hinaus spielen Überlegungen zur Erhöhung der Krankheitsresistenz eine Rolle. So lassen sich z. B. Kühe durch Sekretion geringer Mengen Lysostaphin in die Milch effizient vor Mastitis schützen. Bezüglich der ernährungsphysiologischen Optimierung tierischer Lebensmittel stehen Überlegungen zur Fettreduktion, zur Fettoptimierung (Erhöhung des Anteils ungesättigter Fettsäuren; verstärkte Produktion erwünschter Fettsäuren) und zur Veränderung der Milchzusammensetzung (humanisierte Kuhmilch) im Vordergrund der wissenschaftlichen Anstrengungen. Die kommerzielle Nutzung transgener Pflanzen in der Lebensmittelproduktion ist am weitesten fortgeschritten. Die gentechnischen Veränderungen weltweit zugelassener Pflanzen zielen hauptsächlich auf agronomische Merkmale ab: Insekten-, Virus- und vor allem Herbizid-Resistenz. Durch letztere wird der Aufwuchs konkurrierender Wildkräuter, die sensitiv für das eingesetzte Breitbandherbizid sind, unterbunden und damit die ansonsten notwendige mechanische Bearbeitung insbesondere während der frühen Wachstumsphasen der Kulturpflanzen eingespart.

Bei Lebensmitteln wie Kartoffeln, Obst und Gemüse, die als unverarbeitete Teile von Pflanzen auf den Markt kommen, stellt sich die Frage, in welchem Maße die von den eingebrachten Transgenen exprimierten Proteine im Lebensmittel vorliegen bzw. wo und in welchem Maße z. B. die Abbauprodukte des Herbizids im Falle der Herbizidresistenz verbleiben. Für eine Sicherheitsbewertung ist es vorteilhaft, wenn im Falle der gentechnischen Optimierung agronomischer Merkmale, die Veränderungen nur in den entsprechenden Pflanzenteilen (z. B. in den Blattern von Obstpflanzen) oder aber während des benötigten Abschnitts der Pflanzenentwicklung wirksam werden. Diese gezielte Expression lässt sich durch Einsatz gewebespezifischer bzw. chemisch regulierter Promotoren erreichen. Eine Vielzahl weiterer gentechnischer Veränderungen von Pflanzen befindet sich noch im Stadium der Forschung. Bei den agronomischen Merkmalen sind es vor allem Resistenzen gegen Nematoden, Pilze und Bakterien, die Toleranz gegenüber abiotischen Faktoren wie Trockenheit, Salz, Eisenmangel, Aluminium und Schwermetallen sowie die Verkürzung der Auskeimzeit in Kartoffeln und der Generationszeit in Citrusbäumen. Veränderungen der ernährungsphysiologischen Qualität zielen überwiegend ab auf die Erhöhung der Gehalte an essentiellen Aminosäuren, mehrfach ungesättigter Fettsäuren, Eisen und Vitaminen. Bei den Vitaminen ist das bekannteste Beispiel der „ Golden Rice“, der durch erhöhten β-Carotin Gehalt im Endosperm Vitamin A Mangelkrankheiten in Entwicklungsländern Asiens entgegenwirken soll. Schließlich zielen einige gentechnische Veränderungen auf die Technologie der Verarbeitung der Pflanzen ab, wie die verzögerte Reifung bei der Tomate oder die Erhöhung des β-Glucanase Gehaltes in Gerste.


Quelle:  Moderne Lebensmittelchemie, B. Behr‘s Verlag

Bild: www.pixelio.de

Behr's Verlag